Eingriffe in die Kunstfreiheit: Ärztes "Geschwisterliebe" auf dem Index
35 Jahre steht die Single “Geschwisterliebe” mittlerweile auf dem deutschen Index. Farin Urlaub und Bela B ziehen ihre Schlüsse.
35 Jahre steht die Single “Geschwisterliebe” mittlerweile auf dem deutschen Index. Farin Urlaub und Bela B ziehen ihre Schlüsse.
Am 27. Januar 1987 kam die Single “Geschwisterliebe” im Rahmen der Mini-LP “Ab 18” auf den Markt, in welcher ein Junge über seine Gelüste und den sexuellen Akt mit seiner eigenen Schwester singt. Doch live spielen dürfen die Ärzte den Coup nicht, schließlich ist das Stück seit nunmehr 35 Jahren auf dem Index.
Doch was halten Rodrigo González, Bela B und Farin Urlaub von dem Verbot= Im Interview mit der Deutsche Presse-Agentur erklärte letzterer Musiker, dass er das Auswahlverfahren für den Index bis heute nicht verstehen kann. Er sagte: “Zunächst mal finde ich es lustig, dass ich als - übrigens sexuell völlig unbedarfter - 15-Jähriger diesen jugendgefährdenden Text überhaupt schreiben konnte. […] Wir haben die Wucht dieses Inzest-Themas einfach völlig unterschätzt und auch nicht darauf spekuliert nach dem Motto ‘Punk kann und darf das’ und nur Spießer regen sich auf. So was wie Indizierungen kannten wir gar nicht, außer von irgendwelchen Gewalthorrorfilmen. Bis heute denke ich, dass es eher darum ging, ein Exempel zu statuieren. Vielleicht fehlt mir das soziologische Verständnis, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich jemand durch diesen albernen Song zum Inzest verführen lässt.”
Auch sein Kollege Bela B hatte sich damals “über die Aufregung gefreut” und wusste nicht, warum “Geschwisterliebe” auf den Index gehören würde. Erst, nachdem er mit einem Vater einer Tochter gesprochen hatte, fiel der Groschen für den Ärzte-Musiker. “Nur ein Mitarbeiter, mit dem ich wegen eines Interviews zu tun hatte, nahm mich beiseite und sagte mir, dass er seinen Töchtern diese Songs nicht vorspielen würde und er damit ein großes Problem habe. Da hab ich erst begriffen, dass wir geschmacklich doch ziemlich daneben lagen. Für die Sicht von Eltern waren wir damals noch zu jung. Dass dann auch noch unser Debütalbum indiziert wurde, war absolut als Exempel zu verstehen.”
Für die Ärzte war die Zeit nach dem Release von “Geschwisterliebe” alles andere als perfekt. Ihre Konzerte wurden gecancelt, sie verkauften keine Alben mehr und dachten bereits daran, getrennte Wege zu gehen. Doch dann hatte sich das Blatt gewendet und sie “wurden plötzlich zu verruchten Helden stilisiert”. Heute, so denkt Farin Urlaub, gibt es noch immer bestimmte Momente, in welchen der Index greifen sollte.
“Aufforderung zu Gewalt oder Schüren von Hass gegen bestimmte Personengruppen - oft Hand in Hand gehend mit Entmenschlichung - sollte meines Erachtens grundsätzlich in einer liberalen Gesellschaft nichts verloren haben - und in der Kunst noch weniger”, erklärt Farin Urlaub abschließend.